Bereichsübergreifende Herausforderungen der KI-Nutzung in rheinland-pfälzischen KMU

Im Folgenden werden bereichsübergreifende und von den KI-Akteuren des Landes priorisierte Herausforderungen der KI-Nutzung für KMU in Rheinland-Pfalz dargestellt. Sie bilden die Grundlage für landesspezifische und breitenwirksame Empfehlungen für die Weiterentwicklung bestehender technologiepolitischer Maßnahmen und Förderstrukturen. Zusätzlich werden in einem Exkurs KI-spezifische und technologieunabhängige Hemmnisse der Innovationsprozesse in KMU unterschieden. Somit kann der KI-spezifische Bedarf der Anpassung bestehender Maßnahmen sichtbar gemacht werden.

Am häufigsten und dringlichsten werden von den befragten KI-Akteuren des Landes Herausforderungen im Bereich Wissen und Kapazitäten für die Umsetzung von KI-relevanten Innovationen genannt. Damit betreffen Kernherausforderungen beim Thema KI bereits sehr frühe bzw. sogar vorgelagerte Phasen des Innovationsprozesses der Unternehmen. 

Die nachfolgende Abbildung zeigt die Befragungsergebnisse zu wesentlichen Herausforderungen der KI-Einführung in rheinland-pfälzische KMU im Überblick. Im Anschluss werden die wesentlichen bereichsübergreifenden Herausforderungen dargestellt.

Fehlendes Orientierungswissen

So ist ein wesentliches Ergebnis sowohl der vertiefenden Workshops als auch der Befragung, dass KMU zunächst einen großen Bedarf an Orientierungswissen zu KI-Technologien haben. Die mangelnde Übersicht über verfügbare KI-Technologien, ihre konkreten Anwendungsmöglichkeiten im Wertschöpfungsprozess sowie erste Erfahrungen anderer KI-einsetzender Unternehmen hemmt mögliche FuE-Bestrebungen bereits vor ihrem Beginn. Ohne die Kenntnis von KI-Anwendungsmöglichkeiten können Unternehmen kaum ihre Geschäftsmodelle und Digitalisierungsvorhaben zielorientiert und zukunftsfähig ausrichten und weiterentwickeln. Der fehlende Überblick über die Akteure und Kompetenzen im Bereich KI äußert sich auch in der fehlenden Sichtbarkeit von Unternehmensbeispielen, die mit ihrem erfolgreichen KI-Einsatz eine Leit- und Vorbildfunktion für ihre Branchen einnehmen. Diese Herausforderung wird durch den Befund einer unzureichenden Sichtbarkeit von KI-Wissensträgern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Transferinstitutionen verschärft. Ohne sichtbare und kompetente Ansprechpartner in ihren Netzwerken fehlt interessierten Unternehmen zum einen die Anlaufstelle, um aus der initialen Innovationsabsicht erste Schritte der FuE-Tätigkeit anzustoßen. Zum anderen senkt sich die niedrigschwellige Exposition von KMU mit dem Thema KI. Das fehlende Orientierungswissen beinhaltet darüber hinaus eine starke Verunsicherung der Unternehmen hinsichtlich der finanziellen Aspekte des KI-Innovationsprozesses. So verbinden viele KMU mit KI-Technologien unklare Einstiegs- und Folgekosten sowie eine Überforderung, die künftige Profitabilität der KI-Einführung abzuschätzen. Die Bedeutung des fehlenden Orientierungswissens wird von der hohen Zahl an Befragten aus der Online-Befragung im Nachgang der Workshop-Reihe unterstrichen, die die fehlende Kenntnis von Möglichkeiten eines KI-Einsatzes, die Unsicherheit über die Profitabilität des KI-Einsatzes und in geringerem Maße auch die mangelnde Sichtbarkeit von KI-Transferakteuren und -Wissensträgern als starkes oder sehr starkes Hemmnis angeben (73 %, 65 % bzw. 24 %). 

Unzureichendes KI-Umsetzungswissen

Verbunden mit dem fehlenden Orientierungswissen ist die zu geringe Wissensbasis für die Umsetzung von KI-bezogenen Innovationen in KMU die zweite Kernherausforderung. Nach Einschätzung der befragten KI-Akteure fehlt den rheinland-pfälzischen KMU auch bei vorhandener Innovationsorientierung eine ausreichende KI-Kompetenz zur Umsetzung ihrer KI-Ideen. Für die erfolgreiche Verwirklichung der Innovationsbestrebung bedarf es häufig KI-spezifischen Vorwissens – etwa über die Integration in bestehende IT-Systeme, Datentechniken, aber auch rechtliche Aspekte der KI-Nutzung. Dieser Bedarf geht über fehlendes Wissen zu Anwendungsmöglichkeiten hinaus und bezieht sich vor allem auf eine mangelnde Wissensbasis im Umgang mit Daten. Zentrale Fragen bestehen dabei in der Eignung, Qualität und Organisation von Daten, aber auch in der korrekten Datenspeicherung und rechtlichen Aspekten des KI-Einsatzes etwa zu Regeln und Handlungsspielraum im Datenschutz. Der mögliche KI-Einsatz wirft zudem Fragen etwa der IT-Sicherheit auf, bei denen bestehende Kompetenzen in KMU weiter ausgebaut werden müssen. In der Befragung berichten viele KI-Akteure von fehlendem Umsetzungswissen und in geringerem Maße auch von der Unsicherheit bezüglich rechtlicher Aspekte als starkem oder sehr starkem Hemmnis (78 % bzw. 24 %).

Mangelnde FuE-Kapazitäten in KMU

Als dritte wesentliche Herausforderung zeigen sich unzureichende Kapazitäten in KMU als wesentliches Hemmnis bei der Einführung von KI. Durch knappe finanzielle und personelle Ressourcen im Bereich FuE können KMU nur im begrenzten Rahmen FuE-Aktivitäten zu KI-Themen durchführen. Dies betrifft zum einen die eigene Entwicklung von KI-Systemen, aber auch die Implementierung von bestehenden KI-Systemen in ihre Produkte. Eine relevante Größe sind dabei auch zu lange Entwicklungs- und Implementationszeiten von KI, die eine hohe Eintrittshürde darstellen. So sprachen KI-Akteure in den Workshops davon, dass sich der ökonomische Mehrwert aus der Einführung von KI-Technologien meist erst nach Jahren ergibt, dann aber mit bedeutenden Vorteilen verbunden ist. Insgesamt berichten sehr viele KI-Akteure von unzureichenden Kapazitäten für die Forschung und Entwicklung (65 %) oder für die Implementierung von KI (65 %) wie auch in geringerem Maße von zu langen Entwicklungs- und Implementationszeiten als starkem oder sehr starkem Hemmnis (32 %).

Unzureichende Vernetzung und Kooperationen

Eine weitere Herausforderung ergibt sich aus der mangelnden Vernetzung der Unternehmen mit KI-Akteuren. Der Vernetzungsbedarf besteht zum einen im grundlegenden Austausch zwischen wissenschaftlicher Forschung und potenziellen Anwendern in den rheinland-pfälzischen KMU. Zum anderen berichten die KI-Akteure von einem weitergehenden Bedarf an anwendungsorientierter Zusammenarbeit mit FuE-Einrichtungen in anwendungsbezogenen Kooperationsprojekten. Hier zeigt sich insbesondere in der Kooperationsbildung zwischen Forschungseinrichtungen und KMU ein erhöhter Förderbedarf. Akteure in den Workshops berichten von einer ausbaufähigen finanziellen Attraktivität der Kooperationstätigkeit mit KMU. Für drittmittelabhängige Forschungsinstitutionen ist die Kooperation mit Großunternehmen vielfach finanziell vorteilhafter als die Kooperation mit lokalen KMU. Deshalb liegt nach Ansicht einiger Akteure vielen Forschungstätigkeiten derzeit eine Orientierung an Themen international tätiger Großunternehmen zugrunde. Für die nachhaltige Förderung der Innovationstätigkeit sei neben einem langen und oftmals mehrjährigen Förderatem in den Kooperationsprojekten auch die Einstellung von Fördermitteln zur expliziten Nutzbarmachung und zum Erhalt von Projektergebnissen – wie die Softwarepflege oder Disseminationsarbeit – notwendig.  In der Befragung nimmt die unzureichende Vernetzung ebenfalls eine bedeutende Rolle ein. So gibt mehr als bzw. etwa die Hälfte der Befragten zu wenige praxisorientierte Kooperationen zwischen Wissenschaftseinrichtungen, KMU und Start-ups, sowie eine ausbaufähige Vernetzung von Forschung und potenziellen Anwendern als starkes oder sehr starkes Hemmnis an (59 % bzw. 47 %). Darüber hinaus werden auch Kooperationsdefizite zwischen Unternehmen als Hemmnis der KI-Einführung genannt. So berichten Workshop-Teilnehmer von einer Zurückhaltung der Unternehmen beim Datenaustausch mit anderen Unternehmen bzw. der kollaborativen Nutzung gemeinsamer Datenpools aus Sorge vor Datenverlust und Wettbewerbsnachteilen. Insgesamt weisen die KI-Akteure auf mangelnde KI-relevante Unternehmensnetzwerke und internationale Vernetzung zu KI-Themen hin.

Fehlende Verfügbarkeit KI-fähiger Daten

Eine weitere Herausforderung für die Einführung von KI in KMU wie auch für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ist die geringe Verfügbarkeit von KI-fähigen Daten. In vielen KMU in Rheinland-Pfalz ist die Prozessdigitalisierung nicht abgeschlossen und es liegen wenige oder nicht für KI-Systeme verwendbare Daten vor. Gründe werden einerseits in einer fehlenden Digitalkompetenz insbesondere in ländlicher gelegenen KMU und in einem starken Wissensbedarf zu profitablen Punkten der Datengenerierung im Wertschöpfungsprozess kleinerer Unternehmen gesehen. Andererseits werden für KMU strukturelle Nachteile angeführt, wie eine geringere Datenmasse durch Kleinserienfertigung, ein schlechterer Zugang zu Großinfrastrukturen (wie High Performance Computing) und eine weniger starke Einbindung in durchgängig datengenerierende Wertschöpfungsketten. Eine effiziente Strategie zur Förderung der Generierung von Prozessdaten sollte gleichzeitig die Gefahr innovationshemmender Technologieinseln und System-Altbestände berücksichtigen. In der Befragung geben 49 % der Antwortenden den Mangel an KI-fähigen Daten als starkes oder sehr starkes Hemmnis für die KI-Einführung in KMU an.

Weitere Herausforderungen

Die Akzeptanz von KI in der Belegschaft der KMU oder bei den Kunden ist nach Angaben der Befragungsteilnehmer eher eine nachrangige Herausforderung. Immerhin 22 % der Antwortenden sehen in der Akzeptanz von KI bei der Belegschaft eine starke bzw. sehr starke Herausforderung und etwa 14 % in der Akzeptanz von KI durch die Kunden. Qualifizierende Aussagen aus den Workshops betreffen jedoch ein häufig unrealistisches Verständnis von KI bei potenziellen Anwendern und Kunden, das durch eine frühzeitige und umfassende Einbindung in den Entwicklungs- bzw. Implementationsprozess verbessert werden kann. Auch die Einbindung der Geschäftsführung in die konzeptionelle und strategische Phase der Entwicklung bzw. Implementation ist entscheidend, um die Akzeptanz von KI-Anwendungen in der Belegschaft zu sichern. Darüber hinaus könnte die Verwendung konkreterer Formulierungen zum Einsatz von KI-Systemen statt der Verwendung des Oberbegriffs „KI“ nach Aussagen der Workshop-Teilnehmer das negative bzw. irreführende Image von KI-Methoden in der Allgemeinbevölkerung korrigieren.

Exkurs: Technologieunabhängige und KI-spezifische Herausforderungen im Innovationsprozess von KMU

  • Obgleich KMU ein innovatives Rückgrat der deutschen Wirtschaft darstellen, stehen sie in ihrem Innovationsprozess immer wieder vor Herausforderungen. Auch die Einführung von KI-Technologien ist davon betroffen. Einige der Herausforderungen für KMU stellen sich unabhängig von der konkreten Technologie, die für den Innovationsprozess verwendet wird. Diese technologieunabhängigen Herausforderungen sind bspw. auf Strukturmerkmale der KMU zurückzuführen. Andere Herausforderungen wiederum sind spezifisch mit der Einführung von KI verbunden. Im Folgenden werden einige technologieunabhängige und KI-spezifische Herausforderungen gegenübergestellt.

Technologieunabhängige Herausforderungen 

  • Charakteristik des KMU-Innovationsprozess: Der Innovationsprozess in KMU kennzeichnet sich dadurch, dass FuE-Bestrebungen zumeist ad hoc begonnen und diskontinuierlich verfolgt werden. Der Kompetenzaufbau in KMU ist also nicht immer beständig und inkrementell, sondern findet häufig sachbezogen statt.
  • Unzureichende eigene FuE-Kapazitäten in KMU: Eigene FuE-Bestrebungen sind häufig mit hohen Kosten (FuE-Sachinvestitionen und FuE-Personal) verbunden. Gleichzeitig besteht ein Risiko, dass sich FuE-Ergebnisse nicht entwickeln oder monetarisieren lassen. Deshalb sind bereitgestellte Finanzierung und Personal meist eng bemessen.
  • Externalitäten: Die forschenden Unternehmen können sich nur bedingt (z. B. über Patente) alle Erträge ihrer Forschung selbst aneignen, Innovationen stehen auch Dritten etwa potenziellen Wettbewerbern kostenfrei zur Verfügung (Spill-over-Effekte). Das führt zu einem suboptimalen Niveau an privaten FuE-Tätigkeiten.
  • Kooperation & Vernetzung: Der Wettbewerb zwischen Unternehmen und das mit FuE-Bestrebungen verbundene Investitionsrisiko hemmen ebenfalls die Kooperationsbildung zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Insbesondere für kleinere Unternehmen hängt die Teilnahme an Forschungskooperationen häufig an der Aussicht auf wirtschaftliche Verwertbarkeit der Ergebnisse und dem Zugang zu potenziellen Kunden.

KI-spezifische Herausforderungen

  • Fehlendes Orientierungswissen & Umsetzungswissen: Eine KI-spezifische Kernherausforderung betrifft die vorgelagerte Phase des Innovationsprozesses. Viele KMU verfügen über keinen ausreichenden Überblick über Ansprechpartner und Anwendungsmöglichkeiten. Ohne dieses Orientierungswissen können sie ihren Innovationsprozess nicht eigenständig gestalten. Gleichzeitig setzt eine KI-Entwicklung eine Vielzahl weiterer Kompetenzen voraus, um KI-Methoden auf konkrete Problemstellungen anzuwenden. KMU müssen sich das Wissen, etwa über Datentechniken der Erhebung und Aufbereitung oder über den rechtlichen Rahmen einer KI-Nutzung, vielfach erst erarbeiten.
  • Höhere Unsicherheiten & Risiken bei der Entwicklung von KI-Technologien: Die Entwicklung von KI stellt für viele KMU eine Innovationstätigkeit außer-halb ihrer fachlichen Kernkompetenz dar. Folglich bestehen größere Unsicherheiten. Diese betreffen zum einen die Bewertung der künftigen Profitabilität des KI-Einsatzes, aber auch technologiegebundene Unsicherheit im Umgang mit rechtlichen Aspekten (z. B. Datenschutz, Haftung), da für viele Aspekte des KI-Einsatzes noch kein rechtlicher Rahmen geschaffen wurde.
  • Langwierige und teure Entwicklungszeiten von KI: Der Mehrwert von KI stellt sich aus Perspektive von KMU erst nach einer langwierigen Entwicklungs- und Implementationsphase ein, da zumeist noch nicht auf vorgefertigte Standardlösungen zurückgegriffen werden kann.
  • Technische und infrastrukturelle Vorbedingungen: Der Einsatz von KI setzt häufig spezifische, aufbereitete und klassifizierte Daten zum Training der KI-Algorithmen voraus. Durch ihre Größe finden sich bei vielen KMU nur wenige bereits vorhandene bzw. geeignete Datenquellen.

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